Jordan

March 2018 · Middle East·

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Jordanien

Ein breiter Ansatz für die wirtschaftliche Reform steigert die Wachstumsdynamik Jordaniens

Nichts liegt der jordanischen Regierung ferner, als geduldig auf die Stabilisierung der Region zu warten, um den Handel anzukurbeln. Vielmehr hat sie ihre eigenen Pläne.

ie ausländischen Direktinvestitionen (ADI) waren 2016 etwas niedriger als 2015. Zum Teil ist der allgemeine Rückgang der Investitionen seit 2012 auf die politischen Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien, Irak, Jemen, Libyen und zu einem gewissen Grad in Ägypten zurückzuführen.

Allerdings berichtete die jordanische Zentralbank, dass im zweiten Quartal 2017 im Vergleich zur selben Zeitspanne des Vorjahres ein Anstieg der ADI von 87 Prozent verzeichnet wurde. Die Förderung von ÖPP-Projekten seitens der Regierung wird die ADI-Zuflüsse steigern, zumal ÖPPs beiderseitig Vorteile bietende Modelle darstellen, die es der öffentlichen Hand ermöglichen, Dienstleistungen von erfahrenen, internationalen Unternehmen zu erhalten. Jordanien hat sich vielseitig bemüht, ausländische Direktinvestitionen anzuziehen: Die regulatorischen Rahmenbedingungen wurden verbessert und es wird daran gearbeitet, ein den globalen Trends entsprechendes, attraktives Investitionsklima zu schaffen.

Arabische und ausländische Unternehmen beginnen zu erkennen, dass sie durch die Erschließung des breiten Weltmarkts in Jordanien florieren können. Hamad Kasasbeh, Vorsitzender der Jordan Free & Development Zones Group, sagt, dass es eben die Förderung dieses Klimas ist, für die das Königreich seit Jahrzehnten bekannt ist: „Wir haben schon immer versucht, den geringen Umfang unserer Wirtschaft durch ihre Öffnung gegenüber dem Ausland wettzumachen. Wir haben Handelsabkommen mit Ländern in aller Welt, sodass wir Milliarden von Verbrauchern ansprechen und Investoren anziehen können.“ Jordaniens Industrie- und Handelsminister Yarub Qudah hebt hervor, dass Jordanien „dank der soliden makroökonomischen Bedingungen und der Prävalenz einiger der Kernelemente der guten Regierungsführung, unter anderem der Schutz des Privateigentums und die allgemeine Sicherheit“, zu einem äußerst attraktiven Investitionsstandort geworden ist. Dazu kommt seinen Aussagen zufolge die Qualität der Transport-, Informations- und Telekommunikationsinfrastruktur.

Unternehmen wie Classic Fashion Apparel Industry hätten ohne die Unterstützung der Regierung niemals zu ihrer heutigen Größe anwachsen können, so Sanal Kuma, der Vorsitzende und Geschäftsführer der Gesellschaft. Er führt weiter aus: „Andere Länder in Asien oder Südamerika versuchen, ausländische Direktinvestitionen anzuziehen, doch dort ist das bürokratische Umfeld weniger effizient als in Jordanien. Dadurch hebt sich Jordanien von seinen Konkurrenten in aller Welt ab.“

Die Arab Potash Company wurde 2003 aus Kanada durch das investorenfreundliche Klima Jordaniens angelockt. Brent E. Heimann, Präsident und CEO des Unternehmens, erzählt: „Die Entscheidung der kanadischen PotashCorp, hier zu investieren, ist zum Teil auf die Vision König Abdullahs und das von ihm geschaffene und weiterhin geförderte unternehmensfreundliche Klima zurückzuführen. Fünfzehn Jahre später sind wir mit diesem Standort weiterhin sehr zufrieden. Die Investition in Jordanien ist für unser Unternehmen in Kanada äußerst strategisch und solide.“

In letzter Zeit stellt laut Heimann das Management der Energiekosten eine Herausforderung dar. Dazu meint er: „Die allgemeinen Kosten sind in anderen Bereichen angemessen, aber die Energiekosten sind die höchsten im Industriesektor. Zur Zeit unserer Investition entsprachen sie dem Industriedurchschnitt.“ Durch die Unterbrechungen der Energieversorgung, hauptsächlich die der Zufuhr von Erdgas aus Ägypten, haben sich die Energiekosten in Jordanien beträchtlich gesteigert. Außerdem hat der Zustrom von Flüchtlingen aufgrund des Krieges in Syrien den Energieverbrauch erhöht.

Als Antwort auf dieses Dilemma unterstützt die Regierung den nationalen Markt der erneuerbaren Energien stark, unter anderem mit der Verabschiedung eines Gesetzes über erneuerbare Energien und Energieeffizienz, das die Rechtsgrundlage für verschiedene Anreize bietet. Dieser bis vor Kurzem nicht existierende Markt beginnt, jährlich mehrere Hundert Milliarden Dollar zu generieren. Aufgrund der begrenzten Ressourcen an fossilen Brennstoffen gewinnen die erneuerbaren Energien an besonderer Bedeutung.

Industrie glänzt trotz Exportflaute

Ein weiterer bedeutender Zweig der jordanischen Wirtschaft, der von der Schließung der Grenzen mit Syrien und Irak schwer getroffen wurde, ist der Export. Die Exporte von Syrien nach Europa sind vollständig zum Erliegen gekommen. Die jordanischen Exportunternehmen wurden durch den Ausfall der Exporte in den Irak stark geschädigt, da ihre Produkte nun auf dem irakischen Markt weniger wettbewerbsfähig sind. Auch der Transportsektor, dessen Flotte großteils untätig bleiben musste, hat unter den Grenzschließungen gelitten. Der Irak war seit jeher Handelspartner Nummer eins des Königreichs. Kasasbeh erklärt: „Der Großteil unseres Handels erfolgt über den Irak und Syrien, und die Situation in diesen Ländern ist eine schwere Belastung für unseren Außenhandel.“ „Wir leiden darunter, aber wir geben nicht auf und bereiten uns für die Zeiten vor, in denen wieder Frieden herrscht.“

Wenn erst die Stabilität der Region wiederhergestellt ist, wird Jordanien ausgezeichnete Voraussetzungen vereinen, um ein Handelsknotenpunkt zu werden. Es besteht begründete Hoffnung auf eine nicht allzu ferne Wiederbelebung des Handels. Im August 2017 wurde der bedeutendste Grenzübergang zwischen dem Irak und Jordanien, Turaibil, wieder geöffnet. Somit ist eine der wichtigsten Handelsstraßen wieder passierbar. Im Oktober desselben Jahres wurden Gespräche bezüglich der Öffnung des Grenzübergangs zu Syrien in Jaber aufgenommen.

Das Ausfuhrvolumen spiegelt noch nicht das gesamte Potenzial Jordaniens wider, aber der Industriesektor konnte laut Sheldon Fink, dem Vorsitzenden und CEO von PBI Aqaba Industrial Estate, seine Exporte 2017 um 6 Prozent steigern. Dieser Aufschwung wurde dadurch begünstigt, dass die Exporte zum Teil von nicht traditionellen Märkten, vor allem von denen ostafrikanischer Länder, abhängen. Fink weist allerdings darauf hin, dass „der Schwerpunkt der Botschaft an das Ausland nicht auf dem Kauf jordanischer Waren liegen sollte, sondern auf der Investition und Produktion von Waren in Jordanien. Es müssen mehr Privatunternehmen dazu angeregt werden, sich in Jordanien niederzulassen und tätig zu werden“.

PBI Aqaba Industrial Estate war eine der ersten privaten Unternehmensgruppen, die mit der Idee einer industriellen Diversifizierung nach Jordanien kam. Fink erinnert sich, dass es im Privatsektor die Bekleidungsindustrie gab, die von den in Drittländern festgelegten Preisen und Gewinnspannen abhängig war. „Jordanien, ein energiearmes Land mit niedrigem mittleren Einkommen, hatte ursprünglich nicht den Charakter einer Herstellernation“, sagt Sheldon Fink. „Die Wirtschaft von Ländern wie Jordanien beruht normalerweise auf dem Handel, nicht auf der Produktion. Also mussten wir uns für die Entwicklung des Industriesektors einsetzen, der in jener Zeit im Wesentlichen aus Schwerchemieindustrie wie Düngemittelproduktion bestand, die von den natürlichen Ressourcen Jordaniens abhängig war.“ Es war schon immer eine Grundlage für den Ausbau der Logistikbranche vorhanden, zumal die irakischen Handelsstraßen seit Jahren durch Jordanien führten. „Obwohl der Logistiksektor bereits bestand, als PBI ihre Niederlassung in Jordanien gründete, bedurfte er einer Modernisierung“, berichtet Fink. „Die Logistik beruht auf Transport, also musste das Land eine eigene Transportinfrastruktur entwickeln, und es wurde viel in dieser Hinsicht getan.“ In letzter Zeit wurden Gespräche über den Ausbau des inländischen Straßen- und Schienennetzes geführt. „Was den Schiffsverkehr betrifft, so wurde der Hafen zum Teil privatisiert und die Situation hat sich über die Jahre deutlich gebessert“, sagt Fink. „Akaba hat von diesen Verbesserungen erheblich profitiert.“

Regierungswachstumstaktiken versprechen Erfolg

Die Rolle des Privatsektors in Jordanien hat sich im Laufe der Jahre positiv geändert. „Als wir hier anfingen, galt hinsichtlich des wirtschaftlichen Fortschritts für die Regierungsbeamten aller Ebenen das Top-Down-Prinzip“, erzählt Fink. „Die Idee war, dass der König die Vision formulierte und die Ministerien sie direkt umsetzten oder, wenn dies nicht machbar war, durch die staatlichen Unternehmen umsetzen ließen.“ Der Privatsektor war somit „dazu verurteilt, eine Art Nacharbeit zu leisten“, was laut Fink „ein großes Problem war. Heute hat sich die Situation maßgeblich geändert“ und die Regierung setzt zunehmend auf die Einbindung von Privatunternehmen.

Ein weiteres Erfolg versprechendes Wachstumsinstrument ist der 2017 von der jordanischen Regierung verabschiedete Wirtschaftswachstumsplan 2018–2022. Der dafür vorgesehene Betrag entspricht dem Gesamthaushaltsplan des Königreichs für zwei Jahre. Mit den vorgesehenen Projekten sollen Entwicklungsprioritäten festgelegt und strukturelle Fragen der nationalen Wirtschaft angegangen werden. Für die im Programm enthaltenen öffentlichen und privaten Projekte ist eine verschiedenartige und aus unterschiedlichen Quellen stammende Finanzierung erforderlich. „Es handelt sich um einen wichtigen und umfassenden Plan, der auf alle Sektoren ausgerichtet ist und dessen Schwerpunkt auf der Angebot- und Nachfrageseite der Wirtschaft liegt“, kommentiert Kasasbeh. „Es wird erwartet, dass sich mit diesem Plan das Volumen der jordanischen Wirtschaft bis 2022 verdoppelt.“ Unterdessen konzentriert sich der „National Green Growth Plan“ (Nationaler Grüner Wachstumsplan) der Regierung auf Energie, Wasser, Abfall, Transport und Landwirtschaft. Der Optimismus hinsichtlich des Wachstums wird von den Wirtschaftsindikatoren gestützt, die im ersten Halbjahr 2017 eine Erholung zeigten. Zu diesen Indikatoren gehören die Einnahmen des Königreichs aus dem Tourismus, die um ca. 18 Prozent gestiegen sind, und die Geldsendungen der Auslandsentsandten, die im ersten Quartal um ca. 3,3 Prozent wuchsen. Im ersten Quartal stiegen die Exporte um 6,6 Prozent und die Importe nahmen leicht ab, was zu einer Verringerung des Handelsdefizits führte. Kasasbeh weist auf Telekommunikation und erneuerbare Energien als weitere Erfolg versprechende Sektoren hin.

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